Die Frau am Fenster (German Edition) by Roger Graf

Die Frau am Fenster (German Edition) by Roger Graf

Autor:Roger Graf [Graf, Roger]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Readbox
veröffentlicht: 2015-03-14T16:00:00+00:00


34

Dunkle Wolken hatten sich vor die Sonne geschoben, als Walter Wenger aus seinem Wagen stieg und auf Bolliger zuging, der sich mit einer jungen Polizistin unterhielt. Wenger fühlte sich nicht gut, weil es ihm in der Dienerstraße nicht gelungen war, eine mentale Verbindung zum Verbrechen aufzunehmen. Auch wenn andere darüber spotteten, er glaubte daran, dass ein Gewaltverbrechen derart viel Energie am Tatort zurückließ, dass sensitive Menschen diese Energie spüren konnten. Die Geister von Toten, welche die Lebenden heimsuchten, waren in seinen Augen nichts anderes als solche Energiefelder. In der Dienerstraße aber hatte er nichts gespürt. Ganz im Gegensatz zum Mord im Eschenwald, dessen Energie er beinahe physisch spüren konnte. Auch jetzt wieder, obwohl er sich ein paar hundert Meter vom Tatort entfernt aufhielt. Bolliger und die junge Polizistin verstummten, als Wenger in Hörweite kam. Privates Geschwätz, dachte er. Flirten mit dem Tod. Er wusste, dass der Tod eine sexuelle Stimulanz sein konnte, ohne dass man dafür nekrophil veranlagt sein musste. Doch Bolligers sexuelle Stimulanz war wohl mehr die junge Polizistin mit den kurzen blonden Haaren, die lächelnd wegging, nachdem sie Wenger mit einem schlaffen Händedruck begrüßt hatte.

»Wir haben etwas«, sagte Bolliger, jetzt wieder ganz der forsche Kollege, der sich gerne wichtiger nahm als er war.

»Zwei Personen erinnern sich unabhängig voneinander an einen kleinen Lieferwagen, der in den vergangenen Wochen öfter da hinten vor dem Wendeplatz stand.«

Wenger drehte sich um und suchte den Platz. Bolliger deutete auf ein Gebäude, dessen Hecke aus hohen Scheinzypressen bestand.

»Hinter dem Haus. Ziemlich gut versteckt. Eine Frau Stadler glaubt, den Wagen über einige Wochen an mehreren Tagen während zwei bis drei Stunden gesehen zu haben.«

»Das klingt nicht sehr überzeugend«, sagte Wenger. »Weshalb erinnert sie sich erst heute daran?«

»Sie war am Wochenende weg und konnte erst heute befragt werden.«

»Und die andere Person?«

»Ein pensionierter Bahnangestellter. Er spaziert regelmäßig mit seinem Hund bis zu dem Wendeplatz und dann den schmalen Weg zum Wald hinauf. Er hat den Lieferwagen vor drei bis vier Wochen an mehreren Tagen hintereinander gesehen.«

»Klingt alles sehr vage. Wie steht es mit der Beschreibung des Wagens? Farbe? Marke?«

Bolliger zuckte resigniert die Schultern.

»Leider kennen sich beide Personen nicht sehr gut mit Autos aus.«

»Und farbenblind sind sie vermutlich auch?«

»Frau Stadler ist sich sicher, dass der Lieferwagen rot war. Der Bahnangestellte weiß es nicht genau. Er tippt eher auf grün.«

Wenger grinste sarkastisch. Tippen war genau das richtige Wort. Mit solchen Zeugenaussagen machte man nur die Täter und deren Anwälte glücklich. Aber es war immerhin ein Anhaltspunkt.

»Ich habe veranlasst, dass den beiden Zeugen unabhängig voneinander verschiedene Fahrzeugtypen gezeigt werden. Vielleicht können wir so herausfinden, was für eine Marke es war.«

»Gute Arbeit«, sagte Wenger und schaute auf das Display seines Handys, das klingelte. Anna Herold erkundigte sich, weshalb Stauffer nicht erreichbar war. Wenger wusste darauf keine Antwort. Sie klang so, als hätte sie etwas Wichtiges herausgefunden, wollte aber Wenger nicht mitteilen, was es war. Wenger wies sie schroff darauf hin, dass er zusammen mit Locher Stauffers Stellvertreter war, doch Herold beharrte darauf, dass sie zuerst mit Stauffer reden wolle. Bolliger hatte den Anruf interessiert mitverfolgt.



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